oder
Typisch ich.
Bin ich eigentlich der einzige Mensch, der das unglaubliche Talent besitzt, ständig im falschen Moment die falschen Dinge zu sagen?
Dass ich auch motorisch ein absoluter Tollpatsch bin (Ich habe in meinem Leben wohl schon mehr Biergläser umgekippt als ausgetrunken, und das will was heißen ...), hängt anscheinend auch damit zusammen.
Inzwischen bin ich in der unabsichtlichen Taktlosigkeit schon so geübt, dass ich selbst nonverbale Fettnäpfchen problemlos treffe, wo immer ich auch grade bin.
Diese Gabe habe ich zum ersten Mal bemerkt, als ich in einer schicksalhaften Nacht vor ein paar Jahren einen Bekannten nach längerer Zeit mal wieder auf einer Party traf.
Wir telefonierten zwar alle paar Wochen mal, aber sahen uns nur sehr selten, weil ich in schöner Regelmäßigkeit die Einladungen zu seiner sonntäglichen Frühstücksclique absagte.
Es kann schließlich niemand erwarten, dass sich ein Morgenmuffel wie ich an einem Sonntag um 10 Uhr morgens gestriegelt und gebügelt in einem Café einfindet, nur um dann das dringend benötigte Katerfrühstück mit Smalltalk zu verbinden.
Wie dieser Abend bewies, konnten wir uns schließlich auch zu vernünftigeren Uhrzeiten über den Weg laufen, zum Beispiel um 1 Uhr morgens.
Leider hielt unsere Freude über diese zufällige Begegnung nicht lange an.
Ich hatte ihn nämlich kaum begrüsst, als sich eine unangenehm auffällige Person von mutmaßlich männlichem Geschlecht rücksichtslos an mir vorbeidrängelte und mir dabei eifrig ihre spitzgefeilten Fingernägel in den Rücken bohrte.
Ohne auch nur einen Augenblick darüber nachzudenken, ließ ich mich bei diesem Bekannten – nennen wir ihn Jan - wortreich über diese "ekelhafte Kreischtucke" aus.
Während meines wütenden Wortschwalls wurde Jans Gesichtsausdruck immer verdatterter, und als ich geendet hatte, erfuhr ich auch den Grund: "Das ist Tommy, mein neuer Freund", waren die genauen Worte, die er kreidebleich in meine Richtung stammelte.
Damit war der Abend schon in unerfreuliche Bahnen gelenkt worden, aber ich wäre nicht ich selbst, wenn ich es nicht noch hätte steigern können.
Am weiteren katastrophalen Verlauf des Abends war ich zwar nicht ursächlich beteiligt, aber ohne mein Zutun wäre es wohl wesentlich harmloser abgelaufen.
Nach dem gekonnten Kopfsprung in dieses erste Fettnäpfchen zog ich mich natürlich eine Weile zurück, und erzählte meinen Fauxpas direkt an sämtliche anderen Freunde und Bekannten weiter, die meinen Weg kreuzten. Ein bisschen Mitleid lindert schließlich alle Schmerzen.
Nebenbei kreuzten auch noch einige Gläser Martini meinen Weg, und das war auch bitter nötig.
Das musikalische Motto das Abends war nämlich „Alternative & Punk“, was nicht so ganz meiner präferierten Richtung entspricht.
Ich gehe zwar ausgesprochen gern zu solchen Partys, weil ich das Styling der Anwesenden mag, aber musikalisch ist es für meinen Geschmack eher suboptimal.
Also verbrachte ich den Abend damit, von einer Bar zur nächsten zu schlendern (in besagtem Club gab es glücklicherweise ganze 3 Stück davon), mir jeweils ein Gläschen Martini zu holen, und dieses auf dem Weg zur nächsten Bar wieder auszutrinken.
Knapp eine Stunde und 4 Martini später legte ich eine kurze Pause ein, und da grade nichts anderes in Sicht war, lehnte mich an das DJ-Pult im Bereich mit der grösseren Tanzfläche.
Keine 10 Sekunden später stoppte die Musik sehr abrupt nach einem kurzen Krächzen, und ich starrte gebannt auf die Tanzfläche, weil ich erwartete, dass dort jetzt irgendetwas spektakuläres passieren würde.
Als mich der DJ allerdings anschnauzte, ob ich wohl noch ganz dicht wäre, regte sich plötzlich ein sehr unangenehmer Verdacht in mir und ich schaute mehr als vorsichtig auf den Ellenbogen, den
ich an das DJ-Pult gelehnt hatte.
Mein Verdacht bestätigte sich: Ich hatte anscheinend tatsächlich den Arm des Plattenspielers vom nur noch schwach kreisenden Vinyl auf dem Plattenteller geschubst.
Leider war ich bei weitem nicht der einzige, der diese Schlussfolgerung zog, denn eine Sekunde später buhte mich bereits der gesamte Saal aus und irgendein unglücklicherweise sehr zielsicherer Mensch bewarf mich sogar mit einer Handvoll Eiswürfel, die er anscheinend aufgrund der akuten Abwesenheit besserer Wurfgeschosse aus seinem Drink gefischt hatte.
So schnell wie in diesem Moment hatte ich noch nie in den anderen Teil des Clubs gewechselt, und fortan zog ich meine Martini-Runden nur noch zwischen den 2 Bars, die ich erreichen konnte, ohne mich in die Reichweite des besagten anderen Bereiches zu begeben.
Nebenbei hielt ich natürlich fleißig Smalltalk mit diversen Menschen, so dass ca. 3 bis 4 Stunden seit dem Vorfall mit Jan vergangen waren, bevor ich mich wieder in seine Nähe wagte.
Als ich ihn fand, lümmelte er sich auf einer Sitzgelegenheit, die ich in Ermangelung eines besseren Wortes als "Sofa" bezeichnen muss. Sollte mir ein passenderes Wort für "An der schwarzen Wand befestigtes schwarzes Brett mit rutschigen schwarzen Polstern drauf" einfallen, werde ich es aber selbstverständlich nachreichen.
Jan lümmelte sich also darauf, hielt eine Bierflasche fest umklammert und war von diversen älteren Herren eingekreist. Von seinem geschlechtstechnisch nicht ganz festgelegtem Freund war glücklicherweise weit und breit nichts zu sehen, was ich als positives Zeichen wertete.
Trennungen passieren schließlich manchmal schneller, als man erwartet.
Vielleicht hatte ich ja Glück.
Während ich zielstrebig auf ihn zusteuerte und mein aktuelles Glas Martini schwungvoll im Laufen austrinken wollte, erhob sich einer seiner direkten Sitznachbarn von seinem Platz.
Natürlich war ich erstaunt von soviel Freundlichkeit, und blieb für den Bruchteil einer Sekunde wie angewurzelt stehen. Das war ein Fehler.
Der ältere Herr, der jetzt fast vor mir stand, machte überrascht eine mehr als ungeschickte Bewegung, die dazu führte, dass er frontal gegen mich stieß.
An diesem Punkt kam mein Glas wieder ins Spiel, das ich ja grade zum Mund heben wollte.
Es kam, wie es kommen musste: Der rote Martini ergoss sich jetzt schön gleichmäßig über meine gesamte Vorderseite, während der andere Beteiligte absolut nichts davon abbekam.
Bei ihm wäre es allerdings auch fataler gewesen, da er ein blütenweißes Hemd trug, während ich zum Motto des Abends passend größtenteils in Schwarz gekleidet war. Trotzdem war ich klatschnass und stank wie ein Schnapsladen.
Aber hielt das den Rempler davon ab, mich anzuschreien? Nein, natürlich nicht.
Zum Glück ließ er aber nach der gebrüllten Frage, ob ich denn wohl keine Augen im Kopf hätte, recht schnell von mir ab und setzte seinen Weg zur Toilette (oder wohin auch immer) fort.
Ich konnte mich also auf der Sitzgelegenheit neben Jan platzieren, der das ganze Drama quasi von einem Logenplatz verfolgt hatte. Während er grinsend ein Taschentuch zückte, um mich fürsorglich abzutupfen, erging ich mich in meiner zweiten Schimpftirade des Abends. Dieses Mal natürlich nicht über unverschämte Jungtucken, sondern über ältere Herren, die harmlosen kleinen Hascherls wie mir Alkohol in schillernden Farben über die Klamotten kippen und sie dann auch noch anschreien.
Das musste ich einfach aus mir herauslassen, mein Nervenkostüm ist schließlich sehr sensibel.
Ich fragte ihn wohl auch, aus welchem Zirkus diese Clowns wohl ausgebrochen wären.
Dass Jan auch dieses Mal nur wortlos zuhörte und mich irritiert anschaute, hätte mir eine Warnung sein müssen. Aber nein, ich sprach natürlich ungerührt weiter.
Als Jan wieder zu Wort kam, hatte sein Gesicht wieder den selben verdatterten Ausdruck angenommen wie beim ersten unangenehmen Zwischenfall des Abends.
"Das war Achim, mit dem ich Sonntags immer frühstücke. Das neben dir ist Heiko, sein Freund."
Aha.
Ich hatte also wieder einen Volltreffer zu verbuchen.
Besagter Heiko war natürlich auch nicht besonders wild auf meine Bekanntschaft, als ich mich ihm mit wahrscheinlich sehr roten Ohren vorstellte. Unnötig zu erwähnen, dass ich mich so schnell wie möglich aus dem Staub machte und mir vornahm, den kläglichen Rest des Abends in ausreichendem Sicherheitsabstand zu Jan und seiner Clique zu verbringen.
Als erstes beschloss ich allerdings, erst einmal die nächsten 10 Minuten vor der Tür im Freien zu verbringen, um meine Klamotten wieder halbwegs geruchsneutral und trocken zu bekommen.
Vor der Tür passierte dann etwas, womit ich niemals gerechnet hätte: Es stellte sich heraus, dass dieser ganze katastrophale Abend tatsächlich für etwas gut gewesen war.
Während ich nämlich draußen in der Kälte herumstand und mich bemühte, mein tropfnasses Shirt vom pfeifenden Wind trocknen zu lassen, sprach mich jemand an, der die ganze Szene beobachtet hatte und mir versicherte, ich sei völlig im Recht gewesen.
Mehr brauchte es nicht, damit ich mich wieder gut fühlte.
Mein kleines, verletztliches Ego ist da glücklicherweise sehr einfach gestrickt.
Später zwinkerte er mir zu und vertraute mir an, er wäre mir dankbar wegen vorhin.
Die Musik hätte ihm nämlich überhaupt nicht gefallen.
Als ich endlich begriff, auf welchen Vorfall er anspielte, war mein Abend endgültig gerettet und wir konnten Tanzen gehen. Dass ich mich dabei bemühte, dem DJ nicht mein Gesicht zu zeigen, erklärt sich wohl von selbst.
8 Kommentare:
*lacht* Entschuldige, aber das ist sooo lustig!
Freilich war's damals gar nicht lustig, aber heute schon. *drück*
Hihi, aber man kann wohl ohne Bosheit sagen: das war definitiv nicht dein Tag!
Aber mach dir nichts daraus, das passiert jedem mal. Obwohl - in solch einer geballten Ladung ist mir das auch noch nicht untergekommen. :-)
:-)))
Typisch Daniel!
Hab sehr gelacht, Dich dabei aber bedauert.
Wie ich schon immer sagte: Wenn's irgendwo ein Fettnäpfchen gibt, Daniel triff es bestimmt.
Ach herrje, das klingt wunderschrecklich! Auch dass Du Dich nach Jahren noch an jede Kleinigkeit erinnern kannst, spricht Bände...
Verzeih mir diese Assoziation, aber es klingt ein bisschen nach Simon aus Tommy Jauds "Vollidiot" ;)
Höhö, schöhön das! Allerdings: Mit der Kreischtucke hattest Du ja offenbar nicht Unrecht. Und ein DJ-Pult, das dermaßen ungesichert im Raum steht - wo gibt's denn sowas? Und dass der alte Schreier zu der Frühstücksclique gehört, zu der Du eh nie dazustoßen wirst - also was soll's?
Hübsche Geschichte - klingt fast wie eine Story aus einem Ralf König-Comic...
Lass das Bloggen und starte lieber ne Reality-TV-Show!!
Göttlich!!
Köstlich, einfach köstlich *lach*
Und ich muß achteinhalb recht geben, das könnte eindeutig Ralf König geschrieben haben *grins*
Hörnchen,
selbst Fettnapf-Hüpferin
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