oder
Stationen eines schwulen Lebens
[Disclaimer: Das ist wieder einer der alten Texte, wie ich es hier schon erklärt habe.
Ich erwähne das nur kurz, weil es da gestern ein kleines Blog-Externes Mißverständnis gab ...]
Es ist Sonntag.
Genauer gesagt ist es bereits Sonntag Nachmittag, und ich liege antriebslos auf dem Sofa.
Ich will auch gar keinen Antrieb haben, Antriebslosigkeit kann sehr entspannend sein.
Die letzte Nacht war doch sehr anstrengend, und ich will mich nur noch auskurieren.
Dieser Tag fing allerdings auch schon interessant an.
Als ich gegen 14 Uhr nach dem widerwilligen Aufwachen den Computer einschaltete, erwartete mich eine erste Überraschung:
Man hatte mich in einem Forum gesperrt.
So etwas war mir noch nie passiert, also verbuchte ich es erstmal unter Erfahrung.
Um dieses Forum war es mir auch nicht schade, ich hatte dort sowieso meistens nur das Gezanke der durchgehend rechtschreibschwachen Kreischtucken mitverfolgt.
Wirklich amüsant fand ich allerdings die erklärende E-Mail, die mir der für die Sperre verantwortliche Forenbetreiber hatte zukommen lassen.
Er klärte mich auf, dass es in seinem Board keinen Platz für „Pöbler und Unruhestifter“ gäbe.
Er bezog sich damit offensichtlich auf mein letztes Posting, in dem ich seine Rechtschreibung korrigiert hatte.
Ich hatte ihn nämlich darüber aufgeklärt, dass „ledeklich“ sich „lediglich“ schreibt, und „Kretik“ eigentlich „Kritik“ ist. Berechtigte, in seinem Fall.
Natürlich sollte man vom Admin des Begleitforums zu Berlins berüchtigster Kinderdisco nicht zu viel erwarten, aber diese ständig wiederkehrenden Fehler hatte mich schon seit Wochen gestört.
Gut, sollte er mich ruhig als Pöbler und Unruhestifter bezeichnen.
Ich wollte ja schon immer mal ein böser Junge sein.
Nach diesem dringend benötigten frühmorgendlichen Lacher legte ich mich erstmal aufs Sofa.
Über meine zweifellos verheerende Rache an Club, Forum und Admin konnte ich mir auch später Gedanken machen. Jetzt wollte ich erstmal meinen Kater von letzter Nacht auskurieren.
Während ich mir noch ein wenig über die Mail, dieses Forum und die Kindertucken im dazugehörigen Club Gedanken machte und dabei in mich hinein grinste, schossen mir ein paar elementare Fragen durch den Kopf, die ich mir seltsamerweise noch nie gestellt hatte.
Wahrscheinlich war es mein beinahe rekordverdächtig hoher Restalkohol-Pegel, der mich ausgerechnet in diesem Moment auf diese fast philosophischen Gedanken brachte.
Was wird mal aus Kindertucken? Wie wird man ein Bär? Was passiert mit Transen?
Ich musste mir eingestehen, dass ich keine Ahnung habe.
Gibt es 16jährige Jungs, die bereits Bären sind? Oder gehört die fröhlich sprießende Körperbehaarung so zum Bären, dass sie in jungen Jahren einfach bloß die üblichen dicken Jungschwulen sind? Wenn das so sein sollte, ist ihnen dann klar, dass sie ein paar Jahre und viele Haare später Bären sein werden? Freuen sie sich vielleicht sogar darauf? Was, wenn sie auch mit fortschreitendem Alter keinen Wildwuchs auf der Brust bekommen? Bleibt dann nur eine Haartransplantation als letzte Rettung? Oder müssen sie gar ihr Leben lang beim Sex das Oberteil anbehalten, um zumindest den Anschein von Brusthaaren aufrecht zu erhalten?
Ich persönlich mag ja Bären sehr gern.
Sexuell sind sie zwar überhaupt nicht mein Jagdgebiet, aber dafür sind sie meist ausgesprochen nett.
Einen der lustigsten Abende meines Lebens hatte ich, als ich versehentlich in eine Kneipe namens "Bärenkeller" geriet. Eigentlich wollte ich nur nach dem Weg in eine Sauna fragen, aber irgendwie blieb ich dann in diesem leicht schummerigen, aber hochgemütlichen Etablissement hängen.
Da ich sonst eher in durchgestylten oder plüschig-angetufften Bars anzutreffen bin, war dieser rustikale Kellerraum mit den Bierzelt-Tischen eine angenehme Abwechslung.
Zwei Welten prallten aufeinander, und zum Glück waren wir alle an ein wenig Kulturaustausch interessiert. Von keiner Seite lag sexuelles Interesse vor, was dem Ganzen zusätzlich eine sehr angenehme Atmosphäre verlieh, die man in der schwulen Szene eher selten antrifft.
Ich hatte mich auch ziemlich schnell daran gewöhnt, jedem neuen und verwirrt schauendem Gast zu erklären, dass ich mich mit der ausdrücklichen Erlaubnis des Barkeepers und der übrigen Stammgäste dort aufhielt.
Ich finde es nebenbei gesagt auch irgendwie schade, dass nur die "Bären" so eine nette Bezeichnung haben. Zu mir meinte bloß mal jemand, ich hätte die Eleganz einer Giraffe.
Ich weiß bis heute nicht, ob ich das als Kompliment werten soll.
Aber zurück zum Thema.
Es geht schließlich immer noch um Fragen, die mich an langweiligen Sonntagnachmittagen beschäftigen.
Was wird zum Beispiel aus den allseits beliebten ( Na ja ...) Kindertucken, die nur in Gruppen auftreten und ein Verhalten an den Tag legen, als wären sie eine Kreuzung aus Madonna und Mariah Carey?
Werden sie auch mit 50 noch alberne Kopfbedeckungen, Schweißbändchen um die nackten Spaghettiärmchen und verspiegelte Sonnenbrillen tragen, wenn sie zu zehnt in die Disco gehen? Werden sie immer noch auf den Boxen oder dem Podest tanzen und sich weiterhin dabei ihre Tanktops ausziehen, auch wenn das immer noch absolut niemand sehen möchte? Und wird ihr Auftreten wohl dank ihres Alters inzwischen so wirken, als wollten sie für das nächste Remake von "Ein Käfig voller Narren" oder eine Ballettaufführung des örtlichen Seniorenheimes vorsprechen?
Natürlich gibt es solche Exemplare, aber es gibt noch wesentlich mehr Kindertucken.
Irgendwo müssen die anderen schließlich bleiben.
Vielleicht wird der Großteil von ihnen auch mit Anfang 20 zu Transen.
Was die Frage aufwirft, ob Transen wohl als Kindertucken angefangen haben.
Die seltene, aber durchaus vorhandene Spezies der Kindertransen lasse ich in meinen sonntäglichen Gedankenspielchen einfach mal außen vor, das tut der Rest der Community ja für gewöhnlich auch.
Wobei man sich allerdings manchmal absolut nicht sicher sein kann, ob der langhaarige Minderjährige im Schottenrock und bauchfreiem Top, der da vorn an der Bar steht, grade als Transe unterwegs ist oder nicht.
Laut bisher unbestätigten Berichten handelt es sich in seltenen Fällen sogar einfach bloß um ein hochgewachsenes, flachbrüstiges Mädchen.
Das allerdings nur nebenbei.
Wie lange sind Transen eigentlich Transen?
Und wohin gehen sie, wenn sie keine mehr sind?
Die von mir sehr geschätzte Kategorie der Transen, die auch mit 60 noch auf der Bühne stehen und sowohl ihr Talent als auch ihren ganz persönlichen Stil jahrzehntelang gepflegt und kultiviert haben (oder wenigstens alle 10 Jahre mal ihr Programm ändern), sind ja leider eine Seltenheit.
Verzichtet der Großteil der Transen also ab einem gewissen Alter auf figurformende Korsetts, Perücken, 20 Kilo Make-Up und ähnliche Hilfsmittel, lässt die lange bekämpfte Körperbehaarung wild und frei sprießen und kann sich plötzlich von Autogrammjägern unbehelligt in der Bärenszene bewegen?
Oder sind sie dann die älteren Herren, die sich in gewissen Discos im Businessanzug an der Bar positionieren, um mit einer Flasche Sekt und mehreren leeren Bechern durstiges Jungvolk anzulocken? Leben sie fortan unter ihrer unbekannten männlichen Identität ganz unauffällig mitten unter uns?
Werden sie gar zu Lederelsen?
Diese sind ja eine weitere Spezies, die mich fasziniert. Auch hier frage ich mich, ob es wohl auch minderjährige Exemplare gibt. Quasi Lederbiker in Ausbildung, die sehnsüchtig auf den Tag warten, an dem sie ihren Führerschein machen dürfen. Obwohl mir die Existenz von Lederteenies relativ neu wäre. Die Unterart der Lederbären finde ich nebenbei gesagt auch spannend. Sind Bären dementsprechend ganz einfach potentielle Bikerbären, die keinen Führerschein oder kein Motorrad haben?
Fragen über Fragen.
Ein weiteres Mysterium ist für mich die Frage „Wie machen Lesben eigentlich Sex?“. Da jedoch einmaliges konkretes Nachfragen meinerseits zu einem gut positionierten Schlag auf die Nase führte, kann ich auch damit leben, es nicht zu erfahren.
Eigentlich will ich es auch gar nicht zu genau wissen.
Allerdings sind Lesben an sich schon faszinierende Wesen.
Natürlich gibt es auch Exemplare, die es mühelos in den Playboy schaffen würden, aber die erkennt man ja für gewöhnlich nur, wenn sie mit ihrer Zunge grade die Mandeln einer flanellhemdtragenden Lastwagenfahrerin mit Bürstenschnitt und 40 Kilo Übergewicht massieren.
Manchmal erkennt man sie aber auch erst, wenn es sich um fast vergessene Popsternchen aus den 80ern handelt, die für ein bisschen Publicity ihre Managerin heiraten.
Das ist auch alles ganz nett und verständlich, aber die extremen Mannweiber sind mir wirklich ein Rätsel.
In den allermeisten Fällen sind diese Exemplare ja vehement dagegen, dass Männer überhaupt atmen dürfen.
Warum aber bemühen sie sich dann selbst darum, möglichst männlich zu sein?
Manche gehen ja sogar so weit, dass sie mehr oder weniger erfolgreich im Stehen pinkeln oder sich Bilder in die Küche hängen, auf denen männliche Genitalien in Brotschneidemaschinen stecken.
Alles schon gesehen.
Einmal geriet ich mit einer lesbischen Freundin auf eine Lesbenparty, wo ich als einer der sage und schreibe 3 (Drei!) anwesenden Männer die ganze Zeit wie ein potentieller Triebtäter beäugt wurde.
Ein schöner Abend ist was anderes.
In solchen Momenten wünsche ich mir, Psychologie studiert zu haben.
Diese ganzen tiefschürfenden Gedanken bringen mich allerdings auch zu anderen Fragen, die beinahe philosophisch zu nennen sind: Was wird mal aus mir, wenn ich schon nicht Psychologe geworden bin?
Wieso bin ich so, wie ich bin?
Und wer bin ich denn eigentlich?
Warum muss ich mir ständig solche Fragen stellen?
Wann sollte ich anfangen, Sport zu treiben?
Mit Anfang 20 mag es ja schließlich noch von Vorteil sein, eine Figur wie ein zu schmal geratener Garderobenständer zu haben. Aber sieht das noch gut aus, wenn man Mitte 30 ist?
Nur in Ausnahmefällen. Was macht man, wenn man in dieses Alter kommt und noch keine langjährige Beziehung führt, also noch konkurrenzfähig sein muss?
In der mir eigenen Mischung aus Optimismus und Naivität beschließe ich, diese Fragen ganz weit von mir weg zu schieben.
Wenn ich alt werde, kann ich schließlich immer noch im Internet Jüngere aufreißen.
Zumindest wird mir das so vorgelebt.
12 Kommentare:
Ich habe beim Lesen Tränen gelacht!
Lederbär... - schön - echt!
Hab' mir übrigens auch 'nen jüngeren geangelt. Soweit sind wir schon...
Hachja, immer wieder ein Vergnügen, bei dir zu lesen :o)
Und nebenbei - ich würde niemals versuchen, im Stehen zu pinkeln *g*
Sehr schön zu lesen, Daniel, besonders der Passus über die Lesben - sehr gut beschrieben, weil es auch meinen Erfahrungen entspricht...
Sehr schön geschrieben! Ich finde die Beschreibung der Bären auch sehr passend. Wenn man denen zusieht wie die einanderanmachen - da fällt mir immer gleich dieser Teddy von Bärenmarke ein :-). Ich habe jedenfalls noch keinen "bösen" Bären kennengelernt, Brummbären aber schon.
Hmm, die Beschreibung der Lesben kommt mir auch sehr bekannt vor. Ich kenne da aber eher die schlagkräftigen Bauarbeiterlesben mit 40 Kilo Übergewicht ;-)
ich schmeiss mich weg ... die verschiedenen spezies sind einfach zu plastisch beschrieben *totlach*
*kicher* Die Bezeichnung "Bikerbär" gefällt mir besonders.
Hast du gut geschrieben, Giraffe! *g*
Mannsweiber versuchen im Stehen zu pinkeln? Haben Bilder, auf denen männliche Genitalien Bekanntschaft mit Brotschneidemaschinen machen? *gruselt sich* Woher hast du solche Informationen?
Alles leider selbst gesehen und erlebt, ohne Scheiß *g*
Und wie üblich vielen Dank für die Komplimente, da graut es mir schon vor der Tatsache, dass nur noch ganz wenige der fertigen Texte vorhanden sind ...
Zumindest besteht die berechtigte Hoffnung, daß ich wieder genügend Stoff zum Schreiben habe, wenn ich ab 1. August wieder endgültig in Berlin bin.
Hauptstadt der Bekloppten, dagegen kann nichtmal Osnabrück anstinken ;o)
Hm... Ob es wohl auch lesbische Bären gibt? Würde mich bei einigen Exemplaren jedenfalls nicht wundern...
Ich kannte mal eine Lesbe, die behauptete steif und fest, man könnte alle Kriege abschaffen, würde man alle Männer kastrieren.
Insofern: Das Bild mit der Brotschneidemaschine ist durchaus realistisch: Ein Plakat mit der Überschrift "Schwanz ab!" habe ich auch mal in einer Lesben-Wohnung gesehen.
*schauder*
*lol* Ich habe da was für Dich: im Rahmen der CSD Veranstaltungswoche in HH wird es auch einen Vortrag zum Thema: Lesben erklären Schwulen (und allen Interessierten) lesbischen Sex. :-)
Ich sags ja immer: Ich muss ganz dringend mal wieder nach Hamburg *g*
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