oder
Ausgehen unter Bekannten
Es ist kein Geheimnis, dass die Szene eigentlich unheimlich klein ist. Es mag zwar in einer großen Stadt wie Berlin Tausende von Schwulen geben, aber gibt es auch dementsprechend viele Locations? Nein, natürlich nicht. Was eh Blödsinn wäre, denn wo führt das bloß hin, wenn jede Durchschnittsschwuppe ihr neues Pradateilchen bloß noch sich selbst vorm Spiegel im eigenen Club vorführen kann? Die Kummertelefone müssten Überstunden machen, um die vielen Aufmerksamkeitsdefizite zu kurieren. Das kann ja nun keiner wollen.
Zum Mangel an guten Locations kommt hinzu, dass man von dieser hohen Zahl der Tausenden von Schwestern noch die abziehen muss, die aus irgendwelchen Gründen nicht (mehr) ausgehen.
Unter dem Strich bleibt dann zwar immer noch eine verhältnismäßig hohe Zahl, aber wenn man die dann auf die Anzahl der ’angesagten’ Locations und deren jeweilige Fassungsmenge umlegt, wird eins klar: Wohin man auch geht, man trifft Bekannte. Oder zumindest bekannte Gesichter.
Da ist es auch kein Wunder, dass es Leute gibt, die sich nur auf das allseits begehrte ’Frischfleisch’ spezialisiert haben.
Dafür gibt es sogar mehr oder weniger nachvollziehbare Gründe: Möchte ich wirklich einen One-Night-Stand mit jemandem haben, bei dem ich Gefahr laufe, ihm danach ständig über den Weg
und in die Arme zu laufen? Natürlich ist dieses erste Argument ziemlich schwach, denn irgendwann war ich schließlich auch mal Frischfleisch, das zum ersten Mal die Szene erkundete.
Die Wahrscheinlichkeit, dass man so ein unbeschriebenes Blatt nach dem Frühstück nie mehr wiedersieht, ist also ziemlich gering. Zumal sich völlig brave Menschen, die zum ersten und vielleicht letzten Mal in einen schwulen Club gehen, in den meisten Fällen sowieso nicht auf einen kurzen Purzelbaum im Heu einlassen würden. Und wenn doch, dann vielleicht weil sie sich etwas davon erhoffen, wenn nicht gar eine Beziehung dann zumindest eine Freundschaft. Und das ist meistens auch nicht unbedingt das, was man sich vorgestellt hat.
Zur Vermeidung dieses Phänomens dürfte man eigentlich nur noch mit Touristen schlafen, und das ist auf Dauer auch keine Lösung.
Nicht, dass ich es nicht versucht hätte.
Aber zurück zu den Singles, oder zumindest zu den Menschen, die meist allein ausgehen.
So wie ich.
Irgendwann wünscht man sich ja, einmal einen Abend zu verbringen, ohne sich dabei ständig mit Leuten konfrontiert zu sehen, die einem allmählich vorkommen wie alte Bekannte.
Dass man mit diesen Menschen in den meisten Fällen niemals ein Wort gewechselt hat (und zumindest teilweise sehr froh über diese Tatsache ist), macht dabei nichts. Man kennt sich halt. Irgendwie.
Im Urlaub kann ich mich ja völlig ungehemmt benehmen. Wenn ich niemanden kenne und absolut sicher sein kann, diese Leute niemals wiederzusehen, ist es mir völlig egal, was diese Menschen denken oder ihren Freunden über mich erzählen könnten.
Dieser Faktor fehlt leider in der kleinen Szene der Heimatstadt. Und mal ehrlich, wer möchte schon ständig die kaum vorhandenen schwulen Ausgehmöglichkeiten irgendwelcher obskurer Kleinstädte im näheren Umkreis erkunden?
Ich jedenfalls nicht.
Und wenn es in Brandenburg so toll wäre, würden die dort ansässigen Schwulen und Lesben nicht jedes Wochenende in Berlin verbringen.
Also bleibe ich in meiner gewohnten Umgebung und treffe weiterhin jedes Wochenende die selben: Flüchtige Bekanntschaften, ehemalige Affären, ab und zu einen Ex-Freund (der wohl bis ans Ende meiner Lebens immer in den unmöglichsten Situationen um die Ecke biegen wird), jemanden der mich schon seit Wochen bei jeder sich bietenden Gelegenheit penetrant angrinst, und vereinzelt auch mal ein paar Freunde. Die haben dann natürlich auch meist ihre aktuellen Lover dabei und schon habe ich wieder ein paar flüchtige Bekanntschaften mehr, denen ich von jetzt an ständig über den Weg laufen werde.
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