Donnerstag, 10. Mai 2007

Ich bin Sam

Vor ein paar Tagen lief dieser Film ja irgendwo im Fernsehen (War es RTL2?), und obwohl ich mich noch mit Schrecken an die Ausschnitte erinnerte, die ich damals bei der Oscar-Verleihung gesehen hatte, schaltete ich mittendrin rein und blieb knapp eine halbe Stunde dran.
Fazit: Was für ein unfassbar unnötiger Film.
Da merkt man an jeder einzelnen Szene, dass sich sämtliche Beteiligten die ganze Zeit über dachten "Oscar, Oscar, Oscar! Wir drehen einen Film über einen geistig Behinderten, das muss einfach Oscars hageln!"
Klischee über Klischee, vom zurückgebliebenen Mann mit einem Herzen aus Gold (Sam alias Sean Penn) bis zur gefühlskalten Staranwältin die durch die Konfrontation mit Sam ein besserer Mensch wird (Michelle Pfeiffer in ihrer miserabelsten Rolle) ist alles vertreten.
Der ganze Film ist in "künstlerisch anspruchsvollen" Blautönen gehalten, andauernd kommen Handkameras zum Einsatz, und von schauspielerischer Seite wird alle 2 Minuten gebrüllt, getobt, geheult, gesabbert und was sich sonst noch so einbringen lässt, um zu suggerieren "Ich bin ein ernsthafter Darsteller und mir ging dieses wichtige Thema so unheimlich nah, dass ich wirklich alles gegeben habe. Jetzt rückt den Oscar raus, ich habe ihn verdient."
Das hat mich ja schon bei Aimee und Jaguar ganz extrem genervt.
Was das für eine geistige Behinderung sein soll, durch die man ständig grundlos herumbrüllt, in Tränen ausbricht, die einfachsten Zusammenhänge nicht begreift und nebenbei pausenlos völligen Mist redet und trotzdem ein halbwegs eigenständiges Leben inklusive Job bei Starbucks führen kann, wüsste ich übrigens auch sehr gern.

Wie man so schön sagt: Wenn Ihr dieses Jahr nur einen einzigen Film seht ... dann sucht euch einen anderen aus.
Was für ein Mist.

Wer einen wirklich großartigen Film über die Probleme von geistig behinderten/zurückgebliebenen Menschen sehen will, sollte sich stattdessen Ganz normal verliebt / The Other Sister ansehen.
Besser geht's nicht.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ohja, "Ganz normal verliebt" ist einfach ein wundervoller Film :o)
Dann sagt dir sicher auch der Begriff "Olafs Schuh" etwas ;o)

Anonym hat gesagt…

Ui. Und ich wollte den Film eigentlich unbedingt sehen (oder aufnehmen). Wie so oft natürlich vergessen. :(
Deinen Worten nach zu urteilen muss ich darüber aber nicht wirklich traurig, sondern eher froh sein...

Achteinhalb hat gesagt…

Grandios beschrieben, Daniel! Ich habe den Film auch nur teilweise gesehen, er ist tatsächlich unerträglich. Typischer Oscar-Kram eben.

Darf ich die Formulierung "Wenn Ihr dieses Jahre nur einen Film seht..." verwenden? Göttliches Diktum!

Lebenskoffer hat gesagt…

Gerne, sie gehört dir :)
Der Film hat sich wirklich absolut nicht gelohnt, obwohl ich mir ganz fest vorgenommen hatte, ihn zu mögen.
Wichtiges Thema etc. ...
Der einzige Film, bei dem ich dieses offensichtliche schielen auf möglichst viele Oscars erträglich fand, war Die Geisha.
Und das auch bloß, weil ich das Buch über alles liebe und es quasi unmöglich gewesen wäre, dass mir der Film nicht gefällt.
Hätte ich das Buch nicht gekannt, wäre ich aber wohl auch da nach spätestens 40 Minuten aus dem Kino gegangen oder hätte mir Ohropax reingetan, um mich bloss noch auf die Bilder statt auf die zurechtgestutzte Handlung zu konzentrieren ;)

Achteinhalb hat gesagt…

Oh, "Die Geisha" fand ich ehrlich gesagt ganz übel. Habe ihn bei einer Umfrage auch zum schlechtesten Film des Jahres gewählt. Da stimmte ja nun gar nichts: Chinesische und malaiische Schauspielerinnen sollten Japanerinnen spielen, dazu gab´s diese süßliche Musikkitschsoße, eine Kirschblütenoperetten-Ästhetik und die übliche Hollywood-Dramaturgie, die alles glättete und es für das Hausfrauen-Publikum genießbar machte. Kein Wunder, dass sich fast alle Asiaten darüber aufgeregt hatten. In Japan und China ist der Film jedenfalls ein echter Skandal gewesen.

Und: Mir kam das zumindest auch alles ziemlich falsch vor - eben wie eine Peking-Ente im Sushi-Laden.

Anonym hat gesagt…

Oh, "Ich bin Sam" wollte ich eigentlich gucken, hab ihn aber verpasst. Mmmh. Ich sehe dann mal davon ab ihn mir auf DVD zu kaufen.

Ein sehr schöner Film, der sich mit geistiger Behinderung beschäftigt ist "Molly" mit Aaron Eckhart, Elisabeth Sue und Thomas Jane. Allerdings wird dort auch alles sehr positiv gezeichnet, aber ich fand ihn sehenswert.

Lebenskoffer hat gesagt…

Ja, also zur Not solltest du ihn wirklich erstmal bloß ausleihen.
Der ist ganz finster.

Molly kenne ich gar nicht, danke für den Tipp :)