Dienstag, 19. Juni 2007

Bis an die Grenze und weiter

Manchmal muss man über seinen eigenen Schatten springen.
Nachdem mein Vorstellungsgespräch am Freitag mehr als perfekt verlief (Über 2 Stunden haben wir uns unterhalten – sowas habe ich noch nie erlebt) und ich fest ab August eingestellt wurde, durfte ich direkt am Samstag dort meinen ersten bezahlten Arbeitstag verbringen.
Als Vertretung.
Ich verbrachte also meinen Samstag damit, zusammen mit einer Kollegin auf 5 Behinderte aufzupassen und nebenbei an meine eigenen Grenzen zu gehen.
Mein persönliches „Das möchte ich für den Rest meines Lebens machen“-Gebiet in der Behindertenarbeit ist ja die Tagesförderung, und bei meinem neuen Job wurde ich plötzlich mit Pflege-Aufgaben konfrontiert.
Sowas ist ja überhaupt nichts für mich, und ich hatte da bisher ehrlich gesagt einen ziemlichen Horror vor.
Dementsprechend gab es dann an diesem Arbeitstag mehrere Situationen, an denen ich zwischen kotzen und heulen stand und immer wieder kurz davor war, meine Sachen zu nehmen und zu gehen.
Als erstes habe ich einen alten Mann geduscht, der eine Unterschenkelamputation hinter sich hatte.
So ein Stumpf gehört ja zu den Sachen, mit denen ich wirklich nie-nie-nie konfrontiert werden wollte.
Ich weiß zwar, dass ich mich bei körperlichen Gebrechen aller Art sehr zimperlich anstelle -Selbst beim Anblick von Gipsbeinen laufen mir Schauer über den Rücken und ich könnte niemals eine Glatze anfassen- aber das hilft ja auch nichts.
Also habe ich den guten Mann geduscht.
Es ging.
Danach habe ich ihm auch noch geholfen, seine Beinprothese wieder anzubringen.
Unglaublich, wieviele Gurte und Riemen sowas braucht, um zu halten.
Später habe ich dann aus nächster Nähe zugesehen wie sich jemand eine Insulinspritze in den Oberkörper jagte und es erst beim dritten Versuch schaffte (Bei dieser Aktion war mein „Ich glaub ich klapp zusammen“-Gefühl am stärksten) und habe dann später noch jemanden gebadet, der dabei meine Geduld auf eine echte Probe stellte und so reinlich veranlagt ist, dass ich ihn davon abhalten musste, sich mit dem Waschlappen "für unten" auch INNEN zu waschen.
Leute, ich sage euch: Das sind Bilder, die man nie wieder aus dem Kopf kriegt.
Und trotz alledem habe ich es geschafft.
Ich komme mir zwar immer noch vor, als würde ich den Leuten ihre Würde nehmen, wenn sie nackt vor mir stehen, aber ich habe es gepackt.
Das gehört wohl zu den Dingen, an die man sich gewöhnen muss.
Und da ich eh bloß ein Jahr dort arbeiten werde und ich das für den Lebenslauf brauche, geht das schon.
Ich habe mich später mit einem befreundeten Altenpfleger über meine Problemchen unterhalten und selbst er meint, dass ich das in den Griff kriegen werde.
Na wenn das kein gutes Zeichen ist ...

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Also gehört die Pflege fest zu Deinen täglichen Aufgaben?
Und der Job ist nur für ein halbes Jahr? Ist das definitiv?

Lebenskoffer hat gesagt…

Ein ganzes Jahr, ja.
Das ist definitiv.
Ich muss ja Praktika in 6 verschiedenen Bereichen machen, um Ergotherapeut werden zu können.
Und da ist mir sowas noch wesentlich lieber als z.B. ein Altenheim ...
Die Pflege gehört leider wirklich dazu, aber es sind halt bloß diese Geschichten wie abduschen und aufpassen, dass beim baden keiner ertrinkt.
Selbst waschen oder gar jemanden windeln muss ich Gott sei Dank nicht.
Ich mache da quasi Pflege Light.

Anonym hat gesagt…

'Pflege light', coole Begriff. ;)
Also jemanden selber waschen, dass könnte ich auch nie. Kann mich da gut reinversetzen, denn all die Sachen würden mir auch sehr schwer fallen.