Freitag, 9. Juni 2006

So macht man sich Feinde.

Gestern früh gab es im Heim einen unangenehmen Zwischenfall.
Ich kochte wie jeden Morgen Kaffee für das Frühstück der Bewohner (Alles andere machen sie allein, aber das mit dem Kaffee erledige ich lieber selbst ...), und es ging schief: Irgendwas hatte den Filterhalter verstopft, wodurch der gesamte Kaffee sich oben im Filter staute.
Glücklicherweise steht die Kaffeemaschine direkt neben einem Waschbecken, also brauchte ich den Filterhalter bloss ausklappen um es abtropfen zu lassen.
Zu mir gesellte sich eine unserer Bewohnerinnen, ein schwer autistisches Mädel Mitte 20.
Sie schaute ganz fasziniert zu und fing plötzlich an, sporadisch aufzujaulen.
Auf mich wirkte es so, als würde sie jedesmal loslegen, wenn ich den Wasserhahn aufdrehte.
Ich testete das kurz aus, aber das Ergebnis war negativ.
Also mass ich ihrem Auftritt keine weitere Bedeutung zu, sie hat schliesslich so ihre Ticks und Anfälle.
Manchmal wippt sie auf und ab, watschelt Ewigkeiten lang in ihrer unnachahmlichen Gangart im Kreis durch die Küche oder schnalzt stundenlang mit der Zunge.
Wie irre einen das machen kann, kann sich übrigens niemand vorstellen, der es nicht erlebt hat.
Aber inzwischen kann ich das ganz gut ignorieren.
Die Szene an der Kaffeemaschine wurde allerdings immer heftiger, plötzlich begann sie zu sabbern, schrie aus voller Kehle und irgendwann flossen die Tränen in Strömen.
Alle Beruhigungs- und Ablenkungsversuche von mir wurden barsch zurückgewiesen.
Schlagartig verstand ich aber auch, warum sie sich so aufführte: Sie liebt Kaffee über alles, das ist das Highlight ihres Tages.
Sie wird auch immer ganz stinkig, weil sie gesundheitlich bloss eine Tasse pro Tag verkraftet und arbeitet mit allen Tricks, um an mehr zu kommen.
Für sie muss das also ausgesehen haben, als hätte ich den einzigen Kaffee des Tages weggeschüttet.
Beruhigt hat sie sich auch erst, als ich ihr einen Kaffee aus einer anderen Maschine besorgt hatte.
Das trägt sie mir jetzt wohl sehr nach, heute hat sie mich auch den ganzen Tag lang so angesehen, als hätte ich ihren besten Freund getötet.
Hoffentlich hat sie es bis Montag verdrängt/vergessen/verarbeitet.
Nach der Frau mit der Teekanne wäre das dann schon die zweite, die nicht gut auf mich zu sprechen ist.

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